Welche Kamera ist für mich optimal?

Das ist natürlich eine Frage, die ich sehr oft von den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern meiner Fotokurs höre. Deshalb möchte ich versuchen, hier im KAMERA LEXIKON eine möglichst hilfreiche Antwort zu geben. Die Vielzahl der angebotenen Kameras verwirrt nicht nur viele Einsteiger, auch erfahrenere Foto-Enthusiasten tun sich manchmal schwer bei der Entscheidung. Dazu gibt es ja eine Weisheit: “Der Amateur kauft die Kamera, die er sich leisten kann, der Profi kauft die Kamera, die er braucht.” Und da ist viel Wahrheit dran. Ich habe schon manchen Hobbyfotografen gesehen, der mit einer Fotoausrüstung für zehn- oder zwanzigtausend Euro daher kommt, aber keine Ahnung hat, wie er seine Kamera richtig einstellen soll. Anders herum gibt es manche Profis, die ihre Aufträge mit einfachen, alten aber bewährten Kameras machen und durch ihr Können auch mit diesen Werkzeugen “zaubern”.

 

Viele Fragen | Verwendungszweck

 


Viele Fragen

Wer mich fragt, welche Kamera er denn kaufen solle, bekommt von mir meist eine sehr indiskrete Gegenfrage: “Wie hoch ist dein Budget?” Meist ist das der zentrale Punkt, um den sich alles dreht, noch bevor klar ist, was man mit der Kamera alles machen möchte. Sagt mir beispielsweise jemand, er wolle gern Portraits machen, würde ich eine Vollformatkamera und ein 85 mm Objektiv mit einer Lichtstärke von 1,4 empfehlen – eine optimale Ausrüstung für den Zweck, wie ich finde. Dann erfahre ich aber möglicherweise, dass nur das Objektiv bereits doppelt so teuer ist, wie das gesamte vorgesehene Budget. Deshalb frage ich zuerst nach dem Geldbeutel, das macht’s einfacher!

Nachdem der Etat geklärt ist, sollte man sich fragen, für welchen Zweck und zu welchem Anlass man die Kameraausrüstung hauptsächlich verwenden will. Ein bergsteigender Wildtierfotograf wird mehr auf das Gewicht seiner Ausrüstung wert legen als ein Studiofotograf, ein Sportfotograf achtet eher auf die Serienbildgeschwindigkeit, als ein Makrofotograf und wer einfach nur Urlaubs- und Familienfotos einfangen möchte hat wieder andere Prioritäten.

Auch bei der Frage nach den Kamera- und Objektiv-Marken ist die Antwort nicht so einfach, wie es scheint. Ebenso ist die Frage: “Was kostet eine (gute) Kamera?” eine Möglichkeit, sich Stunden darüber auszulassen. Ich antworte dann meist: “… und was kostet ein Auto?” Generell kann man natürlich sagen, dass alle am Markt befindlichen Marken gute Produkte herstellen. Die Unterschiede sind manchmal gering, manchmal abhängig von den eigenen Vorlieben und Gewohnheiten und manchmal auch von den sehr spezifischen Ansprüchen, wie “Ich will Autorennen fotografieren, meine Kamera muss sehr schnell sein.” oder “Meine Kamera muss auch in der Kälte zuverlässig funktionieren, denn ich will Pinguine in der Antarktis fotografieren”. Letztendlich ist die Frage nach einer Markenpriorität wichtig, wenn jemand schon eine Kamera einer Marke besitzt und die Ausrüstung ergänzen möchte oder es im Bekanntenkreis/Fotoclub/Firma Personen mit bestimmten Marken gibt, von denen man Dinge ausleihen oder austauschen kann. Aber gehen wir das Ganze mal etwas systematischer an …

 


Verwendungszweck

Nachdem Budget und eventuelle Markenpriorität geklärt sind, sollte man für sich klären, was der Hauptanwendugsbereich für die Kamera werden soll. Ich nenne mal ein paar Beispiele: Familien- und Urlaubsfotos, Sportfotografie, Portraitfotografie, Streetfotografie, Makrofotografie, Wildtierfotografie, Reise- und Expeditionsfotografie oder Astrofotografie.

Das sind einige, aber längst nicht alle Dinge, die man mit einer Kamera anstellen kann. manche Themen beeinflussen nur die Frage nach den verwendeten Objektiven, bei manchen Motivthemen ist aber auch die Wahl des geeigneten Kameragehäuses entscheidend für das Gelingen der Aufnahmen. Nach meiner Erfahrung ist eine zentrale Frage auch die nach dem akzeptierten Gewicht der neuen Fotoausrüstung. Wer mit dem Wohnmobil durch die Toskana reist, für den ist das Gewicht der Ausrüstung weniger entscheidend, als für den Wanderer, der Machu Pichu oder das Matterhorn zu Fuß erreichen möchte. Deshalb habe ich in den Vergleichtabellen des KAMERA LEXIKON auch Abmessungen und Gewichte der vorgestellten Kameras angegeben, denn jedes Kilo wiegt um so mehr, je länger und steiler der Fussweg ist. Dabei sollte man nicht nur das Gewicht der Kamera im Auge behalten, denn es kommen ja meist noch mehrere Objektive, vielleicht ein Stativ, Blitzgerät und ähnliches hinzu. betrachten wir die oben genannten Themen mal im Einzelnen …

 

Familien- und Urlaubsfotos | Sportfotografie | Portraitfotografie | Streetfotografie | Makrofotografie | Wildtierfotografie | Reise- und Expeditionsfotografie | Astrofotografie

 

Familien- und Urlaubsfotos

Das Universalthema “Familien- und Urlaubsfotos” kann man zunächst ja mit jeder Kamera aufnehmen, vom Smartphone bis zur Profi-Spiegelreflexkamera. Dabei hat das Smartphone viele Vorteile. Der wichtigste? Man hat es immer dabei! Das heißt, dass man bei jeder spontanen Gelegenheit einen Schnappschuss aufgenommen hat, während der Amateurfotograf noch seine Kamera und ein Objektiv aus der Fototasche kramt. Die lustige Szene ist längst vorbei, bevor die Ausrüstung einsatzbereit ist. Daher ist meine Empfehlung für das Smartphone durchaus ernst gemeint, die technische Qualität der darin enthaltenen Kameras ist hervorragend und oft besser, als in den Kompaktkameras mancher anderen Hersteller.

Nur einen Schwachpunkt hat das Smartphone (noch). Bei schlechten Lichtverhältnissen, also am Abend, im Innenraum oder in der Nacht ist die Bildqualität unbefriedigend. Dann muss eben doch eine “richtige” Kamera ran!

 

Sportfotografie

Durch die hervorragenden Sportfotos, die wir aus Zeitungen, Zeitschriften, Internet und Fernsehen kennen, sind wir sehr verwöhnt und glauben auf Grund der zahlreichen, sehr hochwertigen Aufnahmen, dass es ein Kinderspiel sei, mit seiner einfachen Kamera ebensolche Fotos im lokalen Sportverein machen zu können. Das geht meist schief, insbesondere, wenn es sich um Hallensportarten handelt. Die Herausforderung, der eine Kamera bei Sportaufnahmen ausgesetzt ist, kann man gar nicht genug unterschätzen. Die meisten Sportarten bieten sich sehr schnell verändernde Motive. Die Kameras müssen also in kürzester Zeit die Belichtung messen, das bildwichtige Motivdetail erkennen, darauf scharf stellen und dann in Windeseile viele Aufnahmen nacheinander schiessen, damit wir den entscheidenden Moment wenigstens auf einer der Aufnahmen festgehalten haben. Natürlich muss sie während der verschiedenen Aufnahmen, Fokussierung und Belichtung kontinuierlich kontrollieren und bei Bedarf die Einstellungen korrigieren. Das ist eine Menge Arbeit in Sekundenbruchteilen.

Bei der Suche nach einer Kamera für Sportaufnahmen sollte man also auf die Serienbildgeschwindigkeit achten und ob diese auch eingehalten werden kann, wenn man während der Serienbildfunktion den Autofokus nutzen möchte. Beim Hallensport kommt zu all dem hinzu, dass der Autofokus seine Aufgaben auch unter sehr schlechten Lichtbedingungen genau so schnell erledigen können sollte. Da trennt sich die Spreu vom Weizen und der Griff nach einer Profikamera wird immer wahrscheinlicher.

 

Portraitfotografie

Bei der Portraitfotografie geht es ja weniger um Geschwindigkeit, als viel mehr um eine bestimmte Bildqualität. Natürlich soll ein Portrait scharf sein, aber der Hintergrund möglichst wenig von der Person ablenken, also in sanfter Unschärfe erscheinen. Bokeh nennt man diese “schöne Unschärfe”, sie ist abhängig von der Konstruktion des Objektivs, dessen Brennweite, der verwendeten Blendeneinstellung und noch ein paar mehr Faktoren. Grundsätzlich gilt, je länger die Objektivbrennweite und je größer die verwendete Blendenöffnung (kleine Blendenzahl!), um so unschärfer der Hintergrund, um so schöner das Bokeh.

[/media-credit] Ein Portrait, aufgenommen mit der Sony α850, einer Vollformat-Spiegelreflexkamera und einem 85/1,4 Objektiv.

 

Da die Brennweite mit größer werdendem Sensor ebenfalls zunimmt, wäre die optimale Kamera für Portraits also eine digitale Mittelformatkamera, wie beispielsweise die Leica S oder die Pentax 645D. Es gibt nur einen Haken: diese Kameras sind groß, schwer und sehr teuer! Da sind die Vollformatkameras von Canon, Nikon, Pentax und Sony schon bessere Alternativen. Weniger groß und schwer und wesentlich preiswerter, als die Mittelformat-Boliden. Wenn man dann noch ein Portrait-taugliches Objektiv, wie etwa ein 85mm-Objektiv mit der Lichtstärke 1,4 oder 2,0 in der kameratasche sind, ist man bestens für das Genre ausgestattet.

Kameras mit APS-C- oder gar MFT-Sensoren ermöglichen es unter geeigneten Bedingungen zwar auch, ein attraktives Bokeh zu erzeugen, dazu bedarf es aber sehr lichtstarker Objektive oder sehr langer Objektivbrennweiten. Olympus bietet zu diesem Zweck sogar eine eigene Objektivserie: 17, 23 oder 45mm Brennweite mit einer Lichtstärke von jeweils 1,2!

 

Streetfotografie

Im Bereich der Street- und Reportagefotografie werden gern kleine, diskrete aber trotzdem sehr leistungsfähige Kameras eingesetzt. Hier kommen System- und Sucherkameras gut zum Einsatz, insbesondere solche mit kleineren Sensoren, wie dem APS-C- oder MFT-Format. Da man bei der Streetfotografie meist mittlere Brennweiten verwendet, sind auch kleine, hochwertige Bridge- und Kompaktkameras gut geeignet.

 

Makrofotografie

Viele Profifotografen lästern über die “Handyknipser”, sind aber dann doch manchmal erstaunt, wenn sie die Makrofotos eines Smartphones sehen. Da die Schärfentiefe mit geringerer Brennweite und damit auch mit der verwendeten Sensorgröße abnimmt, hat man es mit Kompakt-, Bridge- und Handykameras einfacher, ansehnliche Makrofotos zu machen. Dazu kommt, dass die Mindestentfernung bei diesen Kameratypen und Standardobjektiv ebenfalls geringer ist, als bei APS-C- oder Vollformatkameras.

Das heißt natürlich nicht, dass man mit Vollformat- oder APS-C-Kameras keine guten Makroaufnahmen machen kann, ganz im Gegenteil. Nur der Aufwand dafür ist um einiges höher. Mindestens ein Satz Makrolinsen sind nötig, besser aber ein Satz Zwischenringe, ein Balgengerät oder sogar ein spezielles Makroobjektiv, das optimal auf die Anforderungen im Nahbereich angepasst ist.

 

Wildtierfotografie

Hier kommen wir in einen Bereich, in dem tatsächlich die Frage nach der Kameramarke aufkommt. Eine der Hauptanforderungen in der Wildtierfotografie ist das Angebot an hochwertigen Teleobjektiven. Keine anderen Hersteller als Canon und Nikon haben ein derart großes Objektivprogramm mit einer so großen Auswahl an hochwertigen Teleobjektiven und Telezooms. Das ist der Stoff, aus dem die Träume der Wildtierfotografen sind. Kein Objektivangebot von Fujifilm, Leica, Olympus, Panasonic, Pentax oder Sony erreicht auch nur ansatzweise diese Sortimentsvielfalt. Trotzdem gibt es aber auch bei diesen Herstellern einige Objektive, die sehr gut für die Wildtierfotografie geeignet sind.

 

Reise- und Expeditionsfotografie

Sehr unterschiedlich sind die Anforderungen im Bereich Reise- und Expeditionsfotografie. Für einen Fototrip nach New York ist eine andere Ausrüstung optimal, wie für die Großwildfotografie in Afrika oder den fotografierenden Extrembergsteiger, der die höchsten Gipfel der Welt erklimmen möchte.

Der New-York-Reisende wird mit einer Ausrüstung, wie sie für die Streetfotografie beschrieben ist, sicher gut auskommen, vielleicht sollte sie noch um ein Superweitwinkel ergänzt werden.

Für die Fotojagd auf Großwild, Vögel etc. sind natürlich vor Allem lange Brennweiten wichtig. Um gleichzeitig das Gewicht und die Größe relativ klein zu halten, sind APS-C- und MFT-Kameras im Vorteil. Durch ihren Cropfactor oder die scheinbare Brennweitenverlängerung wirkt der Bildauschnitt enger, als die Objektivbrennweite es vermuten lässt. Ausserdem sind Kameras und Objektive für diese Kameratypen meist kleiner als für die größeren Kameraformate.

Bei Extremwanderern und -bergsteigern zählt natürlich in erster Linie das Volumen und Gewicht der Fotoausrüstung! Nur die Wenigsten werden Assistenten zur Verfügung haben, die die Fotoausrüstung den Berg hinauf und wieder hinunter schleppen. Also: klein soll”s sein, leicht und trotzdem gut. Die kleinen Systemkameras von Fujifilm, Olympus und Panasonic sind da bestens geeignet. Und wenn es noch kompakter sein soll, ist ein sehr gutes Smartphone mit einer Top-Kamera auch nicht die schlechteste Lösung, solange die Lichtverhältnisse ausreichend sind.

 

Astrofotografie

Auch wenn ich zugeben muss, dass mein Erfahrungsschatz im Bereich der Astrofotografie eher begrenzt ist, so kann ich doch sagen, dass Kameras mit besonders geringem Bildrauschen auch bei schlechten Lichtverhältnissen sinnvoll sind. Dazu zählen im Wesentlichen Vollformatkameras mit nicht zu hoher Auflösung oder gar Mittelformatkameras. Kommt dann noch ein sehr lichtstarkes Weitwinkel- oder Superweitwinkelobjektiv, ein Fernauslöser und ein sehr stabiles Stativ zum Einsatz, dann hat man schon recht gute Zutaten für Sternschnuppen-, Milchstraßen- und die gesamte Astrofotografie.